Der Schwarze Pirat

De Windländer

Die Erfindung des Schwarzes Piraten oder wie De Windländer zu seinem Namen kam

Ein Brennen in den Augen. Mit Mühe öffnet er die verklebten Lider. Unscharf sieht er, Sand, nichts als Sand. Der Blick wird langsam klar. Blauer Himmel ohne eine Wolke, eine warme Brise streichelt seine Haut. Die Ostsee versucht seine Füße zu erhaschen und das Salz beißt in seinen Wunden. Ein ovales Etwas taucht vor ihm auf, rot umrandet, mit einer dunkeln Kugel in der Mitte, Jonathans Auge. Die Möwe betrachtet den Mann, der unterhalb des Märchenwaldes auf Wittow gestrandet ist. Sein Blick ist klar, der Körper muskulös, übersät mit vielen Kratzern und Platzwunden. Jonathan überlegt kurz, ob er einen Probeschnapp wagen sollte, sah jedoch in den blauen Augen des Fremden, dass er ganz schnell vom Räuber, selbst zum Frühstück werden könnte. Die Gesellschaft des Fremden behagt Jonathan nicht, hier wird er kein Frühstück finden. Geschickt erhebt er sich in die Luft und folgt der schwachen Duftspur von frisch geräucherten Fisch Richtung Vitt. Der blonde bärtige Mann bleibt allein am Strand zurück.

Er verliert wieder das Bewusstsein. Eine kleine Ewigkeit dämmert er zwischen Träumen und Halluzinationen. Sein Mund ist trocken, er hat Durst. Langsam hebt er den Kopf und schaut sich um. Nichts als Strand und oberhalb Wald. Keine Anzeichen von Behausungen. Ein Fischotter quert zielstrebig den Strand und taucht geschickt in die Ostseefluten. Obwohl der Wassermarder in der Abenddämmerung in der Ostsee jagt, lebt es an Land in der Nähe von Wasser, Süßwasser. In der Nähe musste ein Gewässer sein. Er kriecht hinauf zum Wald. Sein Körper ist mit Prellungen und leichten Wunden bedeckt. Am Waldrand setzt er sich auf einen großen Stein und streift sich sein Hemd ab. Ruhig begutachtet er seinen schmerzenden Körper. Es sieht schlimmer aus, als es ist, nichts Ernstes. Er lauscht in den Wald und vernahm das leise Gurgeln eines Baches. Er braucht nicht lange, um ihn zu finden, trinkt sich satt, wäscht sich und seine spärliche Kleidung. Die Nacht bricht an. Aus Moos macht er sein Nachtlager, sowie ein kleines Feuer mit trockenen Blättern und Zweigen.

Von See wird das kleine Feuer nah an der Küste bemerkt. Ein Mann sitzt in einem kleinen Boot und fährt die Küste entlang. Er hat von einer Fregatte gehört, die vor der Nordküste Wittows in einem Sturm auf Grund gelaufen und zerschellt sein soll. Jetzt ist er auf dem Weg zum Unglücksort, um sein Glück zu versuchen. Nach einer durchzechten Nacht war er wieder einmal des Hofes verwiesen. Wie so oft davor. Ehrliche harte Arbeit ist eh nichts für ihn. Mit einem gestohlenen Fischerboot fährt er die Küste Rügens nordwärts. Selbst in der Nacht ist die Silhouette der Fregatte deutlich erkennbar. Das Wrack wird von Land her bewacht. Er sieht die Lagerfeuer der Wachen. Das weiße Segel holt er ein und rudert zum Heck des Schiffes. Einige Fenster sind offen. Ungeschickt klettert er zum ihm naheliegendsten und lässt sich hineinplumpsen. Dunkelheit begrüßt ihm. Er lauscht in den Rumpf des Schiffes. Nur knarrendes Holz und Wellenspiel sind zu vernehmen. Dennoch wagt er nicht ein Licht zu entzünden. Da das Wrack bewacht wird, muss sich noch wertvolles Gut an Bord befinden, das geborgen werden soll. Er tastet sich vor und findet eine Kiste in der Kajüte. Diese durchwühlt er und findet Kleidung, eine Geldbörse und Dokumente darin. Er wechselt die Kleidung, die Garnitur, vollkommen in Schwarz, scheint für ihn gemacht. Hose und Rock sitzen. Den passenden Hut findet er auch. Auf und ab stolziert er in der Kajüte hin und her. Lässt sich von seinen imaginären Dienern reichlich auftischen und wird von den Damen umschwärmt, die seinen Abenteuern aufgeregt lauschen. Dieses Leben ist ganz nach seinem Geschmack. Und was für ein Leben er hat, voller Abenteuer und Gefahren. Berühmt und gefürchtet als …....ja als was eigentlich? Weiter kommt er nicht, Stimmen sind zu vernehmen. Er ist nicht mehr allein auf dem Schiff. Der Morgen war längst von grau zu rot in gelb übergangen. Mit einem waghalsigen Sprung rettet er sich aus der Gefahr. Mann, was er für ein Teufelskerl ist, denkt er. Ein Glück, dass sein Boot nur einen halben Meter unter dem offenen Fenster befestigt ist. Mehrmals schlägt sein Boot an die Bordwand, bis er genug Abstand hat, um zu rudern. Ungesehen gelingt ihm der Rückzug nicht. An Land wird eine Patrouille zusammengestellt, die ihn verfolgen soll.

Davon bekommt er auf seinem Boot nichts mit. Seine nautischen Kenntnisse sind so unausgereift, dass er sich nicht außer Sichtweite des Lands wagt. Volle Segel zu setzen, das traut er sich als Landratte nicht. Die Strömungen bestimmt, wohin die Reise geht. Es ist die gleiche Strömung, die den blonden Mann an den Strand gespült hat. Trotz seiner Bemühungen wird auch das kleine Boot von dieser Strömung erfasst und Rums, sie setzen auf. Mit etwas hin und her wackeln versucht er das Boot zu befreien. Ein wenig im Boot rumhopsen hilft nicht. Frustriert setzt er sich hin und man könnte meinen, er säße Pate für den Denker von Rodin. Sein feines Näschen sagt seinem knurrenden Magen, dass Frühstück in der Nähe ist. Das ist ein Grund, sich nasse Füße zu holen. Einfach vom Boot zu springen traut er sich nicht, er klettert unbeholfen über die niedrige Bootswand und meistert es ohne hinzufallen an Land zu gelangen. Weit muss er nicht gehen, nur den Strand hoch und einige Schritte in den Wald. Er steht vor einem Lagerfeuer, über dem ein Hase zu einem saftigen Braten gart. Er schaut sich kurz um, niemand in der Nähe. Innerlich freuend reibt er sich die Hände und will sich an den Braten machen, als vor ihm eine Gestalt auftaucht. Er muss nach oben schauen, um in dessen Gesicht zu sehen. Der blonde Hüne schaut ihn ruhig an und geht langsam an ihm vorbei ans Lagerfeuer. Ihm den Rücken zugewandt kniet der Blonde sich ans Feuer und wärmt sich die Hände. Der Magen knurrt laut und das Wasser läuft ihm im Mund zusammen. Er hat Hunger und überlegt, wie er an das Mahl gelangen kann. Er hat die feinen Sachen an, die er sich auf dem Schiff angeeignet hat. Kurz überlegt er, ob sein Plan funktionieren kann und setzt ihn in die Tat um. Er strafft und räuspert sich. Dann stellt er sich auf die Zehenspitzen, um größer zu wirken und sagt in leicht belegten Ton: „Wildern ist verboten.“ Der Hüne reagiert nicht. Durch das zerrissene Hemd kann er den zerkratzten geraden Rücken sehen. Er wird nervös, scheint doch nicht so leicht, dem großen Klotz seinen Braten abzuluchsen. Er geht einen Schritt näher und lehnt sich mit dem Oberkörper leicht vor und streckt seinen Arm aus. Mit dem Zeigefinder tut er so, als ob der dem Riesen auf die Schulter klopft. „Auf Wilderei droht die Todesstrafe.“ Der blonde Hüne hebt eine Augenbraue und dreht seinen Kopf langsam zur Seite. Die Füße des Hungrigen tabbeln automatisch zwei Schritte rückwärts. Er holt tief Luft und sagt nochmal ganz langsam, „Es ist verboten zu wildern.“ „Hab nicht gewildert“, kommt es kurz vom Lagerfeuer. „Nicht?“ Eine kurze Pause. „Aber der Hase ...“ weiter kommt er mit seiner Konversation nicht. „...wärmt sich am Feuer und hat sich dabei das Fell versenkt“, kommt es vom Feuer als Antwort.

Man sah, wie der Schwarzgewandete denkt. Der Große hebt den Kopf und lauscht. Ruckartig ist er auf den Beinen und hat die wenigen Schritte zum Strand überwunden. In der Ferne sieht er mehrere Soldaten den Strand entlang schreiten. Sie sehen sich kurz an, anscheinend wollen beide nicht auf die Ankunft der Patrouille warten. Der Blonde schaut sich kurz um, hinter ihm ein bewaldeter Hang und dahinter Felder. Keine Deckung. Am Strand ein Boot. Er überlegt nicht lange, schnappt sich den Hasen und stapft auf das Boot zu. Kaum ist er ins Sichtfeld der Soldaten geraten, wird er entdeckt. Es gelingt ihm schnell das Boot ins Wasser zu schieben. Mit großen Augen schaut der andere zu und realisiert, dass er dabei ist, das Boot zu verlieren und auf die Gesellschaft der Soldaten möchte er auch verzichten. Zu viele unangenehme Fragen. Breitbeinig wetzt er über den Strand. Der Große hat das Boot umgedreht und tigerhaft erklommen. Der Braten am Spieß liegt geschützt vorne und er beginnt zu rudern. Bis zur Hüfte im Wasser erreicht er sein Boot. Mühsam nach mehrfachen Versuchen krakzelt er ins Boot. Der Hüne hat eine schnelle Schlagzahl, sie machen Fahrt und sind fix ein gutes Stück vom Ufer entfernt. Verblüfft liegt er immer noch am Boden des Bootes, als der andere die Segel setzt. Die Rufe der Uniformträger werden vom Wind verweht.

„Wo sind wir?“ Unser Möchtegern versteht nicht. Der Blonde deutet kurz mit dem Kinn Richtung Land. Jetzt versteht er. „Äh, Rügen, dort ist Wittow, das Windland“, kurze Pause, dann sagt er sich gleichzeitig aufrappelnd: „Von dort habe ich dich gerettet.“ Sehr theatralisch zieht er seinen Hut vom Haupt. „Gestatten, dass ich mich vorstelle“, mit etwas zu hoher Stimme und einer angedeuteten Verbeugung, wie er es von hohen Herren schon gesehen hat. Sich aber mit der linken Hand an der Bordwand festhaltend, „Der gefährlichste Pirat der Welt.“ Das Boot macht einen Schlenker. Fast hätten sein Hinterkopf und das Unterliek Bekanntschaft geschlossen. Rechtzeitig kann er den Kopf zwischen seinen Schultern einziehen und verliert nur seinen schwarzen Hut. Den Hut greifend, kurz bevor dieser sich ins Wasser verabschiedet, meint er zum Hünen. „Ich bin der schwarze Pirat, bekannt jenseits und diesseits der Meere. Den skeptischen Blick des Blonden bemerkend, fügt er schnell hinzu. „Das hier“, und zeigt mit einer Handbewegung um sich, „ist nur eine vorübergehende Flaute. Ich bin in einer Orientierungsphase. Wie ist Euer Name?“ Es kommt keine Antwort vom Steuer. Sich an die Reaktion am Strand erinnernd, meint er zum Hünen. „Wie es scheint, bist du ein Gesetzloser. Ich brauche einen neuen Steuermann und du scheinst dieses Handwerk zu beherrschen.“ Der schwarze Pirat überlegt kurz. „Was hältst du vom Wittower? Ähm, stimmt, klingt nicht gut. Windlander? Ah, noch nicht ganz“, sinniert er weiter. Die Stirn in Falten, hat er einen Geistesblitz, „De Windländer. Ja, De Windländer, das ist ein Name für dich. Ich nenne dich De Windländer.“ Sehr zufrieden mit sich setzt sich der schwarze Pirat. De Windländer spielt in Gedanken mit dem neuen Namen und befindet ihn für geeignet. Der schwarze Pirat deutet ein kurzes Brummen als Zustimmung zu seinem Vorschlag und bemerkt, dass er noch immer Kohldampf schiebt. Zum De Windländer meint er, „Lass uns den saftigen Hasen verspeisen und ich weihe dich in meine Pläne ein.“ De Windländer bemerkt, dass sich der schwarze Pirat gern reden hört und lässt ihn gewähren, während er sich den Hasen mit ihm teilt. In der folgenden Nacht kehren sie zur gestrandeten Fregatte zurück und schaffen es Dank des Geschickes des De Windländers, unbemerkt das Schiff zu plündern.

Autor: Sandra Peters

Bild: efg – Eggebrechts feine Gestaltung

Nachtrag: Im Jahre 1805 ist vor Varnkevitz die russische Brigg Dispatch gesunken.

Eine Ausstellung zur Brigg befindet sich im Bunker am Kap Arkona.

Die spannende Geschichte zur Dispatch findest du hier.

https://www.foerderverein-kap-arkona.de/dispatch.php